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Definition der Arbeitssucht
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Arbeitssucht erkennen
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Wege in die Arbeitssucht
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Therapiemöglichkeiten

    Der ganzheitliche
    Ansatz

    Therapiekonzept

    Therapeutische
    Interventionen

    Praktische
    Beispiele
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Literatur
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Fallbeispiel: Frau L., 42-jährig, Heimleiterin
Frau L. befindet sich in ärztlicher Behandlung. Sie leidet an Hautallergien und hat seit Monaten Schlafstörungen. Sie fühlt sich sehr müde und erschöpft, nichts geht mehr. Sie glaubt, dass sie unter Burn-Out leidet. Der Arzt hat sie zwecks Erholung krankgeschrieben. Sie weiss überhaupt nicht, wie es weitergehen soll und wo sie sich erholen könnte.
Frau L. ist seit drei Jahren Leiterin eines Behindertenheims und wohnt auch dort. Sie hat keine eigene Privatsphäre. Sowohl Mitarbeiter als auch Heimbewohner können jederzeit in ihrer Wohnung vorbeikommen. Ihre Mahlzeiten nimmt sie im gemeinsamen Essraum ein, sie hat schon lange keine Lust mehr selber zu kochen. Jetzt wo sie krank ist, erträgt sie das alles nicht mehr. Gleichzeitig empfindet sie den behinderten Heimbewohnern gegenüber ein schlechtes Gewissen, weil die auf Änderungen sehr empfindlich reagieren. Sobald die Heimbewohner merken, dass es Frau L. nicht gut geht, werden sie unruhig. Ihre Mitarbeiter sind überfordert. Sie fühlt sich sehr gebraucht, sie sollte funktionieren, aber die Kraft dazu fehlt.
Die Phase mit einer Abnahme gesundheitsfördernder Aktivitäten lässt sich einfach rekonstruieren: Als Heimleiterin ist sie vertraglich verpflichtet, im Heim zu wohnen. Ab diesem Zeitpunkt lassen verschiedene Aktivitäten, die sie früher gemacht hat (Freunde einladen, Lesen, Spaziergänge) nach.
In der zweiten Phase der Symptomentwicklung sind folgende Symptome festzustellen:
  • private Kontakte werden auf Kosten der Arbeitskontakte vernachlässigt
  • Schuldgefühle der Arbeit und den Bewohnern gegenüber, wenn sie einmal frei macht
  • nicht delegieren können ("Einzelne Mitarbeiter wühlen die Heimbewohner nur auf, dann muss ich einschreiten und alles beruhigen. Ich kann nicht weggehen, weil ich dann nicht weiss, was passiert.")
  • wenig körperliche Aktivitäten
  • emotionale Erschöpfung
In der dritten Phase der erfolgten Umstrukturierung in allen Lebensdimensionen kann man vermutlich nebst Burn-Out auch Anzeichen von Arbeitssucht feststellen.
Obwohl die Klientin auch körperlich erschöpft ist, verschiebe ich die passive/aktive Körperarbeit auf einen späteren Zeitpunkt. Als dringendste Intervention erscheint mir das Erfahren des eigenen abgeschlossenen Raumes und die Suche nach einem inneren sicheren Ort.
Ich gebe der Klientin eine lange Schnur und bitte sie, ihren eigenen Raum zu bestimmen. Sie schaut sich um und legt die Schnur weitläufig und ungeachtet verschiedener Gegenstände. Ich bitte sie, innerhalb des begrenzten Raumes den Platz einzunehmen. Sie ist etwas unschlüssig, entscheidet sich dann aber für einen Platz.
T: Wie geht es Ihnen jetzt?
K: Ich kann nicht gut atmen, es ist mir eng in der Brust.
T: Möchten Sie etwas verändern?
Sie steht auf und verkleinert den Kreis.
T: Stimmt das jetzt für Sie?
Sie schaut sich um und entfernt ein paar Gegenstände aus dem Kreis. Danach setzt sie sich hin, spürt nach und stellt fest, dass sie sich jetzt doch viel besser fühlt.
T: Brauchen Sie etwas?
K: Vielleicht ein Glas Wasser.
Sie shiftet selbst in die körperliche Dimension und nimmt ihr körperliches Bedürfnis wahr. Wir fahren fort mit dem Austesten, wie sich das anfühlt, wenn sich ein Objekt (z.B. ein Kissen) ihrem Kreis nähert. Ich fordere sie immer wieder auf, den Raum um sich und dessen Begrenzung durch Abtasten physisch wahrzunehmen. Das hilft ihr, ruhiger zu werden und die sich nähernden Objekte deutlicher wahrzunehmen. Ich bitte sie STOP zu sagen, falls ihr das zu viel wird. Sie macht das mit zunehmender Entschlossenheit, berichtet aber, dass sie das etwas erschöpft. Sie möchte lieber Ruhe haben, dass niemand sie sieht und hört, solange sie das nicht will. Ich mache sie aufmerksam, dass sie die Grenzen ihres Raumes verstärken, ja sogar Wände bauen kann. Sie macht das und meint, dass sich das sehr gut anfühlt.
Anschliessend suchen wir gemeinsam nach Möglichkeiten, wo eine räumliche Veränderung in ihrem Alltag möglich wäre. Sie spricht sich gegen einen Aufenthalt in einer Klinik oder im Kloster (was sie frührer gemacht hat) aus. Das sei ihr zu eng, und sie brauche einfach ihre Freiheit. Dann fällt ihr ein, dass eine Freundin für einige Wochen in die Ferien geht. Vielleicht kann sie ja in dieser Zeit in ihre Wohnung einziehen.
In den folgenden Sitzungen vertiefen wir die Arbeit an Raum- und Körpergrenzen durch verschiedene Abgrenzungs- und Festigungsübungen. Mittels Imagination kann Frau L. ihren inneren Kraftort gestalten. Die Lösung mit der Wohnung der Freundin kommt tatsächlich zustande. Anschliessend bemerke ich bei Frau L. grosse Veränderungen. Sie wirkt aktiver, unternimmt mehr und überzeugt ihren Arzt, wieder 50% arbeiten gehen zu dürfen. Daraus resultiert wieder eine Symptomverschlechterung. Nachdem die Freundin zurück ist, hat sie auch die separate Wohnung nicht mehr. Sie muss sich erneut krank schreiben lassen.
Die körperliche Stabilisierung durch passive und aktive Körperarbeit und kurze Wanderungen geben ihr die Kraft, die etwas abgekühlten sozialen Kontakte zu beleben. Sie kann im Freundeskreis ihre Schwierigkeiten mitteilen. Es tut ihr ausserordentlich gut, soziale Akzeptanz zu erleben. Wie durch ein Wunder bietet ihr ein Kollege eine kleine Wohnung an. Die Entscheidung ist nicht einfach, weil mit dem Bezug einer externen Wohnung die Kündigung der Arbeitsstelle verbunden wäre. Letztlich entscheidet sie sich für den Bezug der externen Wohnung, weil sie realisiert, dass ihre Krankheit eng mit den speziellen Wohnverhältnissen ihres aktuellen Jobs verbunden ist.
Dieser Schritt bringt die entscheidende Wende in ihre Krankheitsgeschichte: Nach einigen Monaten intensiver Arbeit an sich selbst, ist sie wieder arbeitsfähig. Sie gibt ihre Stelle als Heimleiterin auf und nimmt eine Teilzeitstelle als Seelsorgerin in einer grösseren Firma an. Für die Mitarbeiter an der neuen Stelle ist sie nur während den Sprechstunden verfügbar. Sie meditiert regelmässig und macht alleine und mit Freunden lange Wanderungen.
Auch heute noch beeindrucken mich ihre Worte: "Das ist so toll einfach die Türe von meiner Wohnung schliessen zu können, das können meine Freunde gar nicht verstehen. Manchmal schliesse ich die Türe mehrmals hintereinander, um das glauben zu können."
 

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